Theaterlehrplan

Effingers

Drei Generationen im Wandel der Zeit, 1883 – 1939 nach dem Roman von Gabriele Tergit, Regie: Jan Bosse
3 Stunden, 30 Minuten, eine Pause

Der Familienroman "Effingers" porträtiert das Leben einer jüdischen Familie zwischen 1883 und 1939. Drei Generationen wachsen auf, suchen Rückhalt und Stabilität in ihrer Familie oder emanzipieren sich von ihren Zwängen. Sie verlieben sich, werden verheiratet oder heiraten gar nicht, fahren das erste Mal Auto, experimentieren mit dem technischen und wirtschaftlichen Fortschritt, erleben einen Weltkrieg, sind Teil des gesellschaftlichen Aufstiegs und stürzen ab. Zwei Weltkriege, Faschismus, Frauenbewegung, Pandemie, Inflation, die "Effingers" erwecken nicht nur verschiedene Menschen im Kontext ihrer Zeit zum Leben, sondern greifen thematisch direkt in unsere Gegenwart.

Bayerische Suffragetten

Eine Stückentwicklung von Jessica Glause und Ensemble
100 Minuten, keine Pause

Vor 120 Jahren war München Hochburg der Frauenbewegung. Vor allem Künstlerinnen stellten die bisher gültige Ordnung radikal in Frage. Sie kämpften für Bildung, Gesundheit und Recht. Sie rauchten und tranken und führten die Beziehungen, die sie wollten. Dieses musikalische Stück erforscht die Freundinnenschaften von gestern, um Role Models für heute und morgen zu befeuern.

Heldenplatz

Ein Spießrutenlauf durch den Hass nach Thomas Bernhard - in einer Fassung mit neuen Texten von Falk Richter. 2 Stunden, 40 Minuten, eine Pause

Es geht um die Familie des jüdischen Wissenschaftlers Professor Josef Schuster. Er hat sich von seinem Balkon mit Blick auf den Heldenplatz in den Tod gestürzt. Während der Nazizeit hatte der Mathematiker Wien verlassen müssen. Auf Bitten der Universität übernahm er in den Fünfziger Jahren wieder einen Lehrstuhl in Wien. Bald nach der Rückkehr beginnt seine Frau, immer wieder die Jubelschreie der Nazi-Meute vom Heldenplatz zu hören. Verfolgt von diesen Geistern entschließt sich die Familie erneut dazu, die österreichische Heimat zu verlassen. Kurz bevor die Umzugskisten nach England verschifft werden sollen, nimmt sich Josef Schuster das Leben. Er kann nicht ertragen, dass dieser Hitler ihn zum zweiten Mal aus seiner Wohnung verjagt.

Bernhards Werk ist von gespenstischer Virulenz in Zeiten, in denen in Europa Antisemitismus, Rechtsterrorismus und Ausgrenzung von Minderheiten wieder beängstigende Konjunktur haben. Falk Richter gleicht seine Gegenwartsanalyse mit Bernhards modernem Klassiker ab und fragt nach den Gefährdeten und ihrer Situation heute. Ein wütendes verzweifeltes Spektakel über den untoten Ungeist des Faschismus.

DAS ERBE. MİRAS

Eine deutsche Geschichtsstunde von Nuran David Calis
Türkisch & Deutsch mit deutschen, englischen & türkischen Übertiteln
2 Stunden, keine Pause

Familie Dogan hat gerade den Familienvater verloren. Mitten in ihre Trauer platzt die Nachricht von den Brandanschlägen auf Wohnhäuser in Mölln am 23.11.1992. Gemeinsam versuchen die drei erwachsenen Kinder mit ihrer Mutter Trauer und Erbe zu bewältigen. Ist Deutschland der lebenswerte und sichere Ort, an dem es sich zu bleiben lohnt?

NEWS FROM THE PAST

Eine ukrainisch-deutsche Reise in die Vergangenheit, um die Gegenwart besser zu verstehen
Auf Ukrainisch und Deutsch mit deutschen und ukrainischen Übertiteln, 1 Std, 50 Minuten, keine Pause

Vier Schauspieler*innen verabreden sich, um ein Radio-Feature aufzunehmen. Sie begeben sich auf die Suche nach der gemeinsamen Vergangenheit, blicken auf die 1930er und 1940er Jahre und auf das gemeinsame Heute. Wie lässt sich extreme Gewalt erzählen? Wie kann an Leid erinnert werden, ohne die Gewalt zu wiederholen?

„Der wirkungsvollste Weg, Menschen zu zerstören, besteht darin, ihr eigenes Verständnis ihrer Geschichte zu leugnen und auszulöschen.“ George Orwell

Nora

Ein Thriller rund um die Emanzipation der Frau nach Henrik Ibsen, Sivan Ben Yishai u.a.

Nora hat es geschafft. Sie muss nur noch die letzte Rate des Darlehens bezahlen, dass sie ohne das Wissen ihres Mannes, heimlich aufgenommen hatte, um ihm eine Auszeit zu finan-zieren. Doch 72 Stunden vor Weihnachten, kurz vor dem Ziel, gerät Nora in Bedrängnis. Alle Annahmen über ihre Beziehung kommen auf den Prüfstand und sie steht vor einschneiden-den Lebensentscheidungen. Sivan Ben Yishai, Gerhild Steinbuch und Ivna Žic befragen Ibsens berühmten Theaterthriller für unsere Zeit neu.

Die Freiheit einer Frau

Über Möglichkeiten und Grenzen von sozialem Aufstieg, über die Gewalt von Rollenbildern und die Befreiung davon nach dem Roman von Édouard Louis.

Édouard Louis erzählt die Heldinnenreise seiner Mutter, die sich aus ihren prekären Verhältnissen, von trinkenden und schlagenden Männern und aus der Provinz befreit. In Paris beginnt sie ein neues Leben und eine neue Liebe und raucht eine Zigarette mit Catherine Deneuve. Parallel dazu erzählt Édouard Louis die Geschichte seiner eigenen Emanzipation. Er musste seine Mutter und seine Familie verlassen, um sich selbst zu finden und ihnen wieder begegnen zu können.

Jeeps

Eine Komödie von Nora Abdel-Maksoud über eine mögliche Erbrechtsreform in 3 Akten
1 Stunde, 30 Minuten, keine Pause

400 Milliarden Euro werden in Deutschland jährlich vererbt. Aber übers Erben wird nicht gerne gesprochen. Wie verhält es sich mit der gesellschaftlich behaupteten Leistungsgerechtigkeit und Chancengleichheit? Was wäre, wenn die Erbmasse radikal umverteilt würde? Wieviel Geld sichert die Existenz und wer gibt wann etwas ab? Ausgerechnet das Jobcenter verwaltet jetzt auch Vermögen und Erbschaften und das per Losentscheid. Der Zufall also, wie auch der Zufall der Geburt meistens über Wohlstand, Bildung und Vorankommen in unserer Gesellschaft entscheidet. Ist das gerecht? Mit schwarzem Humor geht es den eigenen solidarischen Prinzipien und den liebgewonnenen finanziellen Sicherheiten an den Kragen.

Göttersimulation

Ein Theaterspektakel zwischen Animation und Realität von Emre Akal.

Am Ende des analogen Zeitalters sind die Digital Natives längst in ihre Parallelwelten abge-wandert. Die beiden verbliebenen analogen Menschen begeben sich schweren Herzens auf ihre letzte Reise, um die Verheißungen des unendlichen digitalen Lebens kennen zu lernen. Acht jugendliche Spieler*innen treffen auf zwei lebenserfahrene Schauspieler und erforschen die Wechselwirkungen zwischen Animation und Realität in den Bilderwelten des Künstlerduos Mehmet & Kazim. Analog, digital, spirituell - in welchen Welten leben wir?

Les statues rêvent aussi. Vision einer Rückkehr

Ein Kolonialdiskurs zwischen Westafrika und München von Serge Aimé Coulibaly und Jan Christoph Gockel.

Eine Statue der westafrikanischen Prinzessin Yennenga aus einem längst vergangenen Jahrhundert erwacht in den Kellern eines ethnologischen Museums in München und möchte zurück nach Hause. Eine Afronautin aus der Zukunft, die ihren Job als Geisterjägerin an den Nagel gehängt hat, träumt von der Prinzessin und nutzt alle Technologien, um eine Verbindung zu ihrer Heimat herzustellen und die Rückreise zu ermöglichen. Bei jeder Aufführung verbinden sich die Kammerspiele mit einer Stadt in Westafrika. Das Ensemble spielt gleichzeitig an beiden Orten und ist über eine Live-Kamera im Kontakt. Die Zuschauer*innen gehen über 7.000 km Entfernung hinweg gemeinsam ins Theater und leben die Vision. 

Wer immer hofft, stirbt singend

Eine Zirkusrevue, in der das Unmögliche möglich wird, nach Geschichten und Motiven von Alexander Kluge. Regie: Jan-Christoph Gockel. 1 Stunde, 50 Minuten, keine Pause

Eine kleine Truppe von Zirkusleuten sucht das Glück. Unterstützung bekommen sie von Puppen und rettenden Requisiten. Jeden Abend machen sie sich erneut auf die Suche nach dem Glück. In Gefahr und höchster Not wird jeder Abend zu einer Herausforderung. Rettung kommt in letzter Minute, das Team hält zusammen.

Touch

Falk Richter und die Choreografin Anouk van Dijk denken gemeinsam mit ihrem Ensemble über das Zusammenleben in Zeiten der Pandemie nach. 2 Stunden, keine Pause

Was passiert, wenn körperliche Berührung und Nähe als Zeichen der Zuneigung, zu potentieller Bedrohung werden? Wie verändern Sicherheitsmaßnahmen unsere Art zusammen zu leben, uns politisch zu organisiere, zu wirtschaften. Ein Abend zwischen Tanz und Schauspiel, zwischen der Sehnsucht nach Berührung und dem Bedürfnis nach Distanz.

Eure Paläste sind leer (all we ever wanted)

Ein dystopisches Spektakel zu Ursprüngen und Auswirkungen des weltumspannenden Kapitalismus von Thomas Köck, Regie: Jan-Christoph Gockel
3 Stunden, eine Pause

In den Ruinen einer untergegangenen Zivilisation tauchen die Gespenster vergangener Epochen auf, die unsere Gegenwart ganz maßgeblich mitbestimmen: Aus religiös verbrämter Gier verüben Konquistadoren die brutalen Verbrechen ihrer kolonialen Landnahme. Darin manifestiert sich ein wesentlicher Startpunkt der Ausbeutung von Planet und Menschen, die letztlich den Weg für eine Welt bereitet, in der Auswüchse des Kapitalismus so etwas wie die Opiatepidemie in den USA mit hunderttausenden von Todesopfern möglich machen: eine Welt am Rande des Kollapses. Wir sehen der Verheerung zu, aufhalten können wir sie und uns selbst offenbar nicht. Eine Suche nach den Wurzeln für die Fehlentwicklungen unserer Gegenwart mit viel Musik, Puppen und voll bitterböser Komik.

HUNGRY GHOSTS

Eine Farce über komplizierte Biografien von Anna Smolar und Ensemble, 1 Stunde, 45 Minuten, keine Pause

Eine Theatertruppe probt ihr Stück, eine Farce: Tür auf, Tür zu, der Liebhaber, der Ehemann, die Nachbarin, und so weiter. Doch dann kommen die Proben ins Stocken. Aus unerfindlichen Gründen hat die Hauptdarstellerin ihre Komik verloren. Allmählich stellt sich heraus, dass die Signale ihres Körpers der Schlüssel zu einer sorgsam verdrängten schmerzlichen Familiengeschichte vorangegangener Generationen sind.

Was fordern die Geister der Vergangenheit je besser wir sie versteckt halten? Es ist bewiesen, dass sich individuelle, aber auch kollektive Traumata bis zu vier Generationen übertragen, in dem sie sich in unsere Zellen einschreiben.