MK:

Das „Geschichtsatelier Elvira im Verein für Fraueninteressen“

Christa Elferich

Wir sind eine Gruppe von Frauen und seit 2018 damit beschäftigt, die Lebensdaten von insgesamt mehr als 1.500 Frauen und Männern zu recherchieren, die zwischen der Gründung des Vereins für Fraueninteressen (1894) und dem Ende der Ersten Deutschen Frauenbewegung im Jahr 1933 Vereinsmitglied waren.

Sobald wie möglich wollen wir unsere bisherigen Ergebnisse in einer Online-Datenbank veröffentlichen. Wichtigste Grundlage unserer Arbeit sind die erhaltenen Mitgliederlisten von 1896 bis 1916. Sie lesen sich streckenweise wie das Straßenverzeichnis der Stadt München. Nur dass die Straßen in den allermeisten Fällen nach den Vätern, Söhnen, Brüdern etc. und nicht nach den Vereinsfrauen benannt worden sind. Abgesehen von den Künstlerinnen und anderen „prominenten“ Frauen im Verein, die in den vergangenen Jahren wieder neu entdeckt worden sind, ist über sehr viele dieser Frauen nur wenig oder gar nichts bekannt. Doch gerade das weckt unseren Ehrgeiz. Wir sammeln einzelne Details wie Mosaiksteine und hoffen, dass sie sich nach und nach im Austausch mit Nachkommen, Historikerinnen*, Archivarinnen* und anderen Interessierten zu vollständigen Lebensbildern verdichten. Sind wir doch überzeugt davon, dass diese Frauen und Männer als Mitglied des Vereins für Fraueninteressen ein Stück Stadt- und Demokratiegeschichte Münchens mitgeschrieben haben – wir sind neugierig auf alles, was sie getan und bewegt haben.

Uns interessieren besonders folgende Fragen:

Welche Überzeugungen vertraten die Mitglieder, was gab besonders den Pionierinnen der ersten Stunde den Mut, sich der Frauenbewegung anzuschließen und weder die strengen bayerischen Vereinsgesetze noch, schlimmer, den Hohn und Spott der Zeitgenossen zu fürchten? Was waren die Motive der Männer, sich einem Frauenverein anzuschließen?

Aus welchen Familien stammten die Mitglieder? Waren sie in München geboren oder zugereist? Welcher Religion/Konfession gehörten sie an? Waren sie berufstätig, absolvierten sie eine Ausbildung oder führten sie das Leben einer „Privatiere“ bzw. einer höheren Tochter/Ehefrau? Interessant ist auch die Frage nach dem Familienstand der Frauen: Waren sie verheiratet? Wenn nicht, lebten sie allein oder im Haushalt der Eltern oder Brüder oder gar in einer modernen Frauenwohngemeinschaft? Welche Verbindungen hatten die Mitglieder untereinander und nach außen? Wie verlief ihr Lebensweg im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und nach 1933?

Bisher haben wir die Kurzbiografien von mehr als 200 Frauen und Männer recherchiert.

Was wir dabei schon herausgefunden haben:

  • Die Namen und Lebensdaten von bisher 40 Frauen und Männern, von denen wir sicher wissen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass Sie schon bei der eigentlichen Gründung des Vereins als „Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau“ im April/Mai 1894 dabei waren.
  • Migration ist nicht die „Mutter aller Probleme“, sondern die „Mutter der Moderne und des Fortschritts“. Für die ersten Jahre des Vereins gilt: Die Mehrheit der Mitglieder wurde nicht in München geboren, die Geburtsorte liegen im Deutschen Kaiserreich und in der Welt verstreut. Viele der geborenen Münchnerinnen* wiederum haben Abschnitte ihres Lebens nicht in München verbracht.
  • Fast jedes fünfte Vereinsmitglied gehörte der jüdischen Gemeinde an oder war jüdischer Herkunft.
  • Es gab eine überraschende Vielfalt der Mitglieder hinsichtlich der Herkunft, des Milieus und der politischen Weltanschauungen. Eine Etikettierung des Vereins als „gemäßigt“ bzw. „radikal“ wird ihm in keiner Weise gerecht.
  • Viele Frauen bezahlten einen hohen Preis für ihren vorbildlichen Mut und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen und die Bahnen des Herkömmlichen zu verlassen. Viele Lebensentwürfe scheiterten.

Damit wir all diesen Frauen ein Online-Denkmal setzen und die Datenbank nach und nach vervollständigen können, suchen wir weitere ehrenamtliche Mitarbeiterinnen* für unterschiedliche Aufgaben: Historische und biografische Recherchen, das Erfassen von Daten, Korrekturlesen, Webgestaltung und vieles mehr…

Christa Elferich

Wenn Sie mehr wissen oder vielleicht mitmachen wollen, bitte rufen Sie uns an: 089 2904463 (Geschäftsstelle des Vereins für Fraueninteressen) oder schreiben Sie eine E-Mail an: archiv@fraueninteressen.de