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MK Musik: School Of Zuversicht

Während wir mit den Hüften wackeln, stellen wir uns der Komplexität unserer Existenz

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»Aber wie immer unterläuft die Musik eine Vereindeutigung, deswegen hören wir ja Musik und lesen keine Pamphlete.«
—Klaus Walter

An allem ist zu zweifeln, sagt die Gründerin der School Of Zuversicht, DJ Patex. Und das hat wahrlich Gründe. Jene, die den Zustand der Welt bis hin zu unserer bloßen Existenz betrachten, wissen das. Alles ist im Zweifel, schließlich sind die kleinsten Teilchen, aus denen Alles besteht bloß Energie, die sich nur bei Beobachtung als Materie manifestiert. Der Widerspruch der Existenz steckt bereits im kleinsten messbaren Teil. Denn er bedeutet, dass wir sowohl in einer real fühlbaren Welt leben…als auch nicht. Damit sie daran nicht verzweifelt, entscheidet sich die School Of Zuversicht für die tägliche Auflehnung gegen diese letztlich überfordernde Erkenntnis. Und nicht zuletzt für die Abwechslung, denn sie macht ihr neues Album aus. Es ist irre gut. Diese Schule ist aus Pathos und Brechung gebaut und eingerichtet mit Aneignung und Rekonstruktion, Humor und natürlich dem Zweifel. Dessen Akzeptanz eröffnet Möglichkeitsräume. Aber wie klingt das?

Der Sound ist zeitgenössisch und zugleich zeitlos. Er ist von Menschen gemacht, die an der Existenz der linearen Zeit zweifeln: Produziert wurden die Stücke unter anderem mit Carsten »Erobique« Meyer, der seine elektronischen Maschinen in fühlende Wesen verwandeln kann. Aber auch mit Joachim »Jojo« Schütz, der sein Ego irgendwann, vielleicht 1991, in Stuttgart am Bahnhof vergessen hat, dessen Leben und Musik glücklicherweise nie eine starre Form gefunden haben. Für weit mehr als ein Leben, hat DJ Patex mit Knarf Rellöm musiziert, er ist selbstredend mit von der Partie wie Richard Schulenburg, Ruth May, Tillamanda, der Audiolith-Frührentner Plemo, Manuel Scuzzo, Frau Kraushaar und eine Reminiszenz an Lana del Rey. Heraus kommt Musik, die hinter den Hügel blickt. Dorthin, wo uns allen Flügel wachsen — kurzum: DISCO! Und während wir mit den Hüften wackeln, stellen wir uns der Komplexität unserer Existenz. Wir sind schließlich nicht zum Spaß hier – oder doch?

Der Hamburger Künstler Alex Solman gestaltet das Albumcover und stellt Aristoteles in seinen Mittelpunkt, nebst Quietscheente und einem Flamingo. Als letzterer in der Bucht von Kalloni auf Lesbos seine Biologie verfasst, begründet er die Wissenschaft, wie wir sie heute kennen. Er zieht die Mystik in den Zweifel und verlegt sich auf die reine Empirie. Damals waren sie noch nicht dort, aber heute ist die Bucht einer der wenigen von Flamingos bevölkerten Orte Europas. Den Zusammenhang versteht, wer sich in Musik zu verlieren weiss.

Das Album »An Allem Ist Zu Zweifeln“ der School Of Zuversicht ist bei Misitunes als LP erschienen, läuft aber auch im Streaming.

Foto: Harald Popp