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Das Kühlen der Welt

Von Julia Weber

In den ersten Stunden des Tages, treibt der Wind die Wolken vom Himmel ins Tal, von dort in die Vororte und dann weiter in die Städte hinein. Die Wolken verwandeln sich in Nebel, der über die Gewässer treibt, die Boote schluckt und Wellen glättet. Die Gewässer stehen still, die Netze treiben im Wasser, der Himmel wird Wasser, Wasser wird Himmel und in den Vororten sind bald keine der langen, schmalen Betonbauten mehr sichtbar. Der Nebel gleitet den Häuserschluchten entlang, langsam in die Zentren der Städte hinein. Dort mitten in der Welt, in den Weiden, über den Strassen, den Autobahnen, zwischen den Häusern Hochhäusern, Parkhäusern, und Gräsern der Gärten, den Schaukeln und Stühlen der Plätze, in den Cafés und den angelegten Erholungsgebieten, den Museen, den Einkaufstrassen liegt der dichte Nebel nun, er breitet sich aus. Und inmitten diesem Grau verschwinden die Menschen, sehen ihr Gegenüber nicht mehr, nicht die eigene Haut, nicht die Hunde an den Leinen, die Kinder verschwinden im Grau. Auch die Gesichter der Menschen, die Körper und dann endlich auch ihre Geschichten. Hände werden nicht mehr gesehen, nicht mehr gereicht, weil die Hände vergessen gehen und auch die zu tuende Arbeit, auch die Daten, die Freuden, die Sorgen, die Grössenverhältnisse. Ein Mond fällt herab, legt sich in die Welt hinein, Wälder sinken ein, die Tiere vergraben sich und Vögel steigen auf. Der dichte Nebel breitet sich aus, er steigt auf zurück Richtung Himmel, den Hügeln entlang, den Bergkanten, über die Weiden und durch die Bäche, die Hänge herauf über die steinigen Wände, die Schieferplatten, über die schmalen Wege, über tannenarme und bis unter das Haus, in dem ein nackter Mensch am Fenster steht. Und der Mensch schaut. Er schaut dem Nebel entgegen wie er heraufsteigt wie er näher und näher kommt, wie er Weide um Weide und Baum um Baum frisst. Der Nebel frisst die Farben. Irgendwann ist alles grau und der Mensch, der aus dem Fenster blickt, der zuschaut, das Fenster öffnet, in ein grau hinein fällt.