MK:

Psychotherapie im Mausmodell

Geschichte von EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing)

Die Kalifornierin Francine Shapiro spazierte an einem Tag im Jahr 1987 problembeladen im Wald und besah sich dabei mit bewegtem Blick ihre Umgebung. Hinterher fühlte sie sich besser und weniger ängstlich. Das hat sie so sehr beeindruckt, dass sie im therapeutischen Kontext ihre Klienten aufforderte, die Augen hin und her zu bewegen – und war damit erfolgreich. Die Methode wurde skeptisch betrachtet. Zum Beispiel als Blinde genauso gut wie Sehende auf darauf ansprachen – ohne jegliche Augenbewegungen. Doch nun ist wissenschaftlich erwiesen, dass nicht nur Augenbewegungen helfen, sondern auch die alternierende bilaterale Stimulation (ABS), zum Beispiel abwechselnde Berührung oder Töne links und rechts. Es wird auch weitestgehend erklärt, wie ABS zu einer besseren Verarbeitung von belastenden Erlebnissen beitragen und damit eine stärkere Entlastung bewirken kann.

PTBS und EMDR im Mausmodell

Ein Team von Wissenschaftler:innen verwendete zunächst ein Tiermodell der PTBS, das seit Jahrzehnten bekannt ist. Mittels Pawlowscher Konditionierung, auch klassische Konditionierung genannt, werden einer Maus in einem speziellen Käfig die Verbindung von einem elektrischen Schock über den Fußboden und einem Ton über Lautsprecher antrainiert. Mit der Zeit werden diese zwei Dinge zu der gleichen Reaktion führen, und zwar einer Schockstarre. Diese kann auch beim Menschen eintreten.

Die Therapie gegen diese Schockstarre besteht nun darin, dass eine neue Reaktion gelernt wird. Diese neue Reaktion ist gleichzeitig die Unterdrückung bzw. Hemmung der gelernten, hier der Angstreaktion/Schockstarre. In einem geschützten therapeutischen Rahmen lernt man den konditionierten Reiz (Ton über Lautsprecher) auszuhalten. Das nennt sich auch Extinktionslernen. Hier kommt EMDR ins Spiel, das beim Erlernen der neuen Reaktion helfen soll.

Im Mausmodell wird der Käfig rundherum mit LEDs ausgestattet. Die Beleuchtung bewegt sich hin und her, wobei der Blick der Maus davon gelenkt wird. Gleichzeitig wird sie dem Ton ausgesetzt, dem konditionierten Reiz. Im Experiment konnte gezeigt werden, dass dieser Zusatz, also der hin- und herwandernde Blick, das Neulernen der Reaktion verbessert. Die Maus hatte schneller keine Angst mehr bzw. Schockstarre, wenn sie dem Ton ausgesetzt wurde mit EMDR, dem Blickwandern, als wenn sie nur immer wieder dem Ton ausgesetzt wurde und den Reiz auszuhalten lernen sollte.

Aber warum?

Die Studie hat gezeigt, dass EMDR einen Einfluss auf die Aktivierung bzw. Hemmung der Amygdala hat. Die Amygdala ist bei PTBS oft stärker aktiviert. Das Neulernen einer Reaktion, das durch EMDR verstärkt wird, führt zu einer vermehrten Hemmung der Amygdala und geringerer Erregung dieser. Das wiederum führt zu einem geringeren “Output von der Amygdala zu weiteren Angst-generierenden Regionen“. Man könnte sagen, dass EMDR bzw. alternierende bilaterale Stimulation (ABS) die Normalisierungsfunktion des Colliculus superior (eine Struktur im Gehirn, die Informationen an den Thalamus weitergibt, welcher seinerseits Informationen an die Amygdala sendet) “schneller normalisiert“. Dadurch haben Thalamus und Amygdala “geregelteren, weniger stark pathologisch verzerrten Input“.

Lara Bos

Alle Informationen und Zitate sind folgendem Artikel entnommen: https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/a-0847-8494