Hidden Munich #3:
die Klaviervirtuosin
Aylin Aykan
Die Podcast-Reihe Hidden Munich geht auf die Suche nach „Münchner Gschichtn“, die abseits der bestimmenden weißen Identität der Stadt stattgefunden haben und jetzt passieren. Im Zentrum der dritten Ausgabe: die Pianistin und Komponistin Aylin Aykan (und ihre energiegeladene Familie).
Der Podcast schildert die lange Reise der Münchner Pianistin, Komponistin und Klavierpädagogin durch eine klassische Musikbildung und den Rückbezug zu den Wurzeln, die geprägt sind durch die Sozialisation ihrer Eltern in der jungen türkischen Klassik der 1940er Jahre. Eigentlich begann die Reise schon mit dem Aufbruch eines ihrer Ahnen: nämlich Karl Theodor Schnitzer – genannt „Emin Pasha“ – in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus Oberschlesien Richtung Osmanisches Reich. Sein Weg weit in den Osten, sein abenteuerliches Leben und sein Ende im osmanischen Sudan spiegelt sich im gegensätzlichen Aufbruch einer seiner Nachfahr*innen, nämlich von „Selma Emiroglu Aykan“ und ihrem Mann Aydin (Aylin Aykans Eltern) in den frühen 1960er Jahren nach Europa – mit Endstation München.
Es ist eine Geschichte von Idealismus, hochtrabenden Träumen, auch von Enttäuschungen; und von einer hochbegabten, multitalentierten Mutter, die zusammen mit ihrem Mann in der Obergiesinger Emigration all ihre Energie in die Musikkarriere der Tochter steckte. Ein Leben in der „Kulturblase innerhalb der Kulturblase“. Ein spannendes Stück Hidden Munich.
Aylin Aykan studierte Philosophie und Musikwissenschaften an der LMU und Klavier bei John Strathern am Richard-Strauss-Konservatorium. Ihre Konzerte wurden vom Bayerischen Rundfunk und Deutschlandfunk übertragen und aufgezeichnet. In ihren Kompositionen und Neu-Arrangements traditioneller Weisen experimentiert sie gerne mit Inside-Spieltechniken: Sie begreift den Konzertflügel nicht nur als Tasten-, sondern vor allem als Saiteninstrument. Auch hat sie sich mit ungewöhnlichen interkulturellen Projekten einen Namen gemacht – so z.B. als Kuratorin für Veranstaltungen und Festivals, u.a. für die deutsch-türkische Initiative CultureFlow. In ihren aktuellen Projekten befasst sie sich mit den Schnittstellen zwischen Komposition und bildender Kunst.

Aylin Aykans Familie mütterlicherseits, frühe 1930er Jahre: die Großeltern Münevver & Cahit Emiroglu, rechts Sohn Tarik, links Münevvers Bruder Orhan Borar, sitzend Zehra Hanim & Ehemann (Urgroßeltern), vorne rechts Selma, links ihr Bruder Yalcin.

Aylins Mutter Selma mit ihrer lebenslangen Freundin Micki (Tochter des 1933 vor den Nazis in die Türkei emigrierten Finanzwissenschaftlers Fritz Neumark), 1940er Jahre

Aylins Eltern Selma & Aydin, 1990er Jahre

Aylins Mutter Selma (passenderweise) in der Titelrolle der Operette „Die Rose von Stambul“, Eggenfelden 1965

Vater Aydin 1962, im Jahr des Umzugs nach Deutschland

Aylins Mutter Selma als junge Karikaturistin, vermutlich 1950er Jahre

Selma bei Proben zu Puccinis „Madame Butterfly“ in der Hauptrolle der Cio-Cio-San, späte 1950er Jahre

Selma Emiroglu Aykan als Gesangspädagogin, zusammen mit Aylin Aykan (um 2000)

Aylins Urgroßmutter Zehra-Elisabeth (die Tochter von Eduard Schnitzer alias Emin Pascha) mit Aylins Mutter Selma Emiroglu in den späten 1930er Jahren

Selma Emiroglu bei der Gestaltung eines Titelblatts für die Kinderzeitschrift „Doğan Kardeş“ (1960er Jahre)

Vorne: Aylin, im Hintergrund: Notenband mit Widmung von Cemal Resit Rey

Aylins Ururgroßvater mütterlicherseits, der deutsch-jüdische Afrikaforscher Eduard Schnitzer alias Emin Pascha (1875)

Aylins Vater Aydin als Ingenieur bei Rohde & Schwarz im München der 1960er Jahre

Aylins Vater Aydin am Klavier, Istanbul, 1950er Jahre

Aylins Eltern als junges Ehepaar in Mailand, Ende der 1950er. Selma hatte ein Gesangsstipendium dort.